espero, Nr. 9/10 (Winter 2024)

Herausgegeben von Markus Henning, Jochen Knoblauch, Rolf Raasch und Jochen Schmück. Potsdam: Libertad Verlag, Winter 2024, ca. 544 Seiten, E-Zine (PDF). ISSN (Online): 2700-1598; Open Access (Kostenloser Download hier am 15.12.2024).

Vorschau

espero, Nr. 9/10: Die neue Winterausgabe,
ca. 544 Seiten, erscheint im Dezember 2024.

Die im Winter 2024 erscheinende Doppelnummer espero, Nr. 9/10 ist die zehnte Ausgabe unserer undogmatisch-libertären Zeitschrift espero, die seit Januar 2020 in neuer Folge als Open Access E-Zine erscheint. Wir haben also ein kleines Jubiläum zu feiern.

Seit dem Erscheinen unserer Nullnummer im Januar 2020 hat sich espero zu einer der meistgelesenen libertären Zeitschriften im deutschsprachigen Raum entwickelt. Allein vier der neun bislang erschienenen Ausgaben wurden inzwischen mehr als 10.000 Mal von unserer Homepage heruntergeladen, und auch im fremdsprachigen Ausland haben wir viele Leser:innen, die unsere undogmatisch-libertäre Zeitschrift schätzen und abonniert haben.

Und es gibt noch ein weiteres Jubiläum zu feiern: Den 100. Geburtstag von Colin Ward (1924-2010), der in den 1960er Jahren in England den modernen pragmatischen Anarchismus begründete, in dessen Tradition sich auch die Zeitschrift espero sieht. Wir freuen uns sehr, seinen Geburtstag mit einem Aufsatz der britischen Historikerin und Colin-Ward-Biografin Sophie Scott-Brown gebührend würdigen zu können. In der Tradition des pragmatischen Anarchismus von Colin Ward steht auch Ulrich Klemm, der vielen unserer Leser:innen durch seine Veröffentlichungen zur libertären Pädagogik bekannt sein dürfte. Mit seinem Beitrag stellt er eine moderne Theorie libertärer Vergesellschaftung vor, indem er interdisziplinäre Überlegungen und Begründungen zum Anarchismus als Egalitarismus im Gegensatz zum Etatismus bündelt und für eine theoretische Diskussion fruchtbar macht.

Ein zweiter Schwerpunkt dieser Ausgabe behandelt den Israel-Palästina-Konflikt aus libertärer Sicht. Kay Schweigmann-Greve zeigt, wie Martin Buber diesen Konflikt durch ein binationales Modell der jüdisch-arabischen Kooperation zu lösen suchte. Auch der jüdisch-amerikanische Anarchist Fredy Perlman und der israelische Anarchist Uri Gordon setzen sich in ihren Beiträgen mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt auseinander und versuchen, libertäre Ansätze zu seiner Lösung aufzuzeigen.

Der dritte Themenschwerpunkt beleuchtet die Wechselbeziehungen zwischen Anarchismus und Punk-Bewegung in unterschiedlichen politischen Kontexten. Der deutsche Politikwissenschaftler Peter Seyferth reflektiert seine persönlichen Erlebnisse in der westdeutschen Punkszene und analysiert einige ihrer Texte. Der polnische Soziologe Grzegorz Piotrowski untersucht die Rolle des Punkrock und des Rockfestivals in Jarocin für die regimekritische Mobilisierung und politische Prägung der Jugend im Polen der 1980er Jahre, und die argentinische Anarchistin Mariana Calandra diskutiert in ihrem Beitrag die Verbindungen zwischen der anarchistischen Bewegung und der Punkkultur in Südamerika.

Es folgt eine „bunte Mischung“ von Beiträgen zu unterschiedlichen Themen. So beschreibt Uri Gordon in einem weiteren Beitrag Leben und Werk Fredy Perlmans, den er neben Noam Chomsky und Murray Bookchin zu den drei großen Gründungsgestalten des neuen Anarchismus in den USA zählt, wie er sich dort seit den 1960er Jahren herausgebildet hat. Und es gibt auch noch einen „Nachschlag“ zu unserem Themenspecial Anarchismus und Wissenschaft in espero Nr. 8. So beschäftigt sich der libertäre Biologe Stephan Krall in seinem Beitrag explizit mit dem Naturwissenschaftler Peter Kropotkin und macht deutlich, welch großen Einfluss der russische Anarchist auf den naturwissenschaftlichen Diskurs seiner Zeit ausübte.

Tomás Ibáñez, Amedeo Bertolo und Marianne Enckell beleuchten in ihrem Beitrag die von Legenden umwobene Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des „A im Kreises“, jenes weltweit ikonischen Symbols des Anarchismus, das Ibáñez vor genau sechzig Jahren in Paris „erfunden“ hat. Ein weiteres, drittes Jubiläum also, das wir mit dieser Herbstausgabe würdigen können. Der Dadaismus-Experte und Hugo-Ball-Spezialist Thomas Keith präsentiert in seinem literarisch-philosophischen Beitrag einen Dialog über Theokratie als Anarchie, der sich auf die anarchische Hochkultur der Richterzeit im vorköniglichen Israel bezieht. Ewgeniy Kasakaow stellt schließlich in seinem Beitrag den russisch-georgischen Anarchisten Nestor Kalandarischwilli (1876-1922) vor, der während des Russischen Bürgerkriegs in Sibirien als Partisan agierte.

Inhaltlich beschließen wir die Ausgabe mit Rezensionen aktueller Neuerscheinungen. Markus Henning stellt den Sammelband Unterwegs in die Stadt der Zukunft vor, der urbane Gemeinschaftsgärten als wichtige Orte der sozial-ökologischen Transformation von Städten beschreibt und dabei theoretische Analysen mit Fallstudien zu konkreten Gemeinschaftsgartenprojekten verbindet. Und das trifft sich gut, denn da Colin Ward als einer der herausragenden libertären Pioniere des Urban Gardening gilt, kann Hennings Rezension durchaus als ein weiterer Beitrag zu Wards 100. Geburtstag gelesen werden. Maurice Schuhmann bespricht das Anarchafeministische Manifest von Chiarra Bottici und Jan Pauls den Band Anarchistische Gesellschaftsentwürfe, der die Frage stellt, wie eine herrschaftsfreie, demokratische Ökonomie organisiert werden kann. Rolf Raasch stellt David Graebers Buch Bürokratie – Die Utopie der Regeln und den ersten Band der Gesammelten Schriften von Bernd Kramer vor. Stephan Krall rezensiert das Buch Staat, Fortschritt, Anarchie mit Schriften von Élisée Reclus und die Neuauflage von Michael Lausbergs Werk über Kropotkins anarchistisches Denken. Jan Rolletschek bespricht schließlich Olaf Brieses Anarchistisches Lesebuch, das frühanarchistische Texte aus der Zeit der deutschen Revolution von 1848/49 vereinigt und damit ein von der Forschung bisher wenig beachtetes politisches Spektrum erschließt.

Das espero-Redaktionskollektiv
Markus Henning, Jochen Knoblauch, Rolf Raasch und Jochen Schmück
in Berlin, Frankfurt am Main und Potsdam

Du kannst die Zeitschrift espero auch abonnieren, indem Du uns eine E-Mail an  schickst und wir Dich mit Deiner E-Mail-Adresse in unseren Verteiler aufnehmen. Du wirst dann in Zukunft automatisch per E-Mail über das Erscheinen einer neuen Ausgabe von espero informiert und erhältst gleichzeitig den Link zum Download der Ausgabe.

Editorial

1. Themenschwerpunkt: 100. Geburtstag von Colin Ward (1924-2010)

  • Sophie Scott-Brown: Wie im Kalten Krieg in Großbritannien die „gewöhnliche Anarchie“ entdeckt wurde
  • Ulrich Klemm: Prinzip Freiheit – Für eine Theorie libertärer Vergesellschaftung

2. Themenschwerpunkt: Israel und Palästina aus libertärer Sicht

  • Kay Schweigmann-Greve: Zwischen libertärsozialistischem Königtum Gottes und nahöstlicher Realität. Martin Bubers Verständnis von Gesellschaft und Staat und sein Verhältnis zum Staate Israel
  • Fredy Perlman: Antisemitismus und das Pogrom von Beirut [1982]
  • Uri Gordon: Israelischer Anarchismus – die Dilemmata der Staatlichkeit und die Dynamik des gemeinsamen Kampfes

3. Themenschwerpunkt: Punk und Anarchismus

  • Peter Seyferth: Punk und Anarchismus – Ein seltsames Paar
  • Grzegorz Piotrowski: Punk gegen den Kommunismus. Das Jarocin Rockfestival und die rebellierende Jugend im Polen der 1980er Jahre
  • Mariana Calandra: Anarchistischer Punk und post-linker Anarchismus in Argentinien, Chile und Uruguay (1983-1993)

4. Beiträge zu weiteren Themen

  • Uri Gordon: Der Körper des Leviathans: Die Wiederentdeckung von Fredy Perlmans anarchistischer Gesellschaftstheorie
  • Stephan Krall: Peter KropotkinAnarchist und streitbarer Evolutionstheoretiker
  • Ewgeniy Kasakaow: Nestor Kalandarischwili und die Rolle der Anarchisten auf den ostsibirischen und fernöstlichen Kriegsschauplätzen des Russischen Bürgerkrieges
  • Tomás Ibáñez, Amedeo Bertolo und Marianne Enckell: Abschied von den Legenden  – Kleines Dossier über die wahren Ursprünge des A im Kreis-Symbols (April 1964 – 2024)
  • Thomas Keith: „Dir, HERR, gebührt die Majestät und Gewalt“ (1.Chronik 29,11). Ein Dialog über Theokratie als Anarchie

5. In eigener Sache

  • Redaktion: espero – warum, weshalb, wieso? Fragen & Antworten

Rezensionen

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