Russische Anarchist:innen gegen den Krieg

[25.02.22] Nachdem Russland in den zurückliegenden Wochen an den Grenzen der Ukraine eine über 150.000 Mann starke Streitmacht zusammengezogen hat, hat das Putin-Regime gestern in den frühen Morgenstunden den Angriff auf die Ukraine befohlen. Wir sind empört über diesen barbarischen Kriegsakt des russischen Regimes, und wir fordern alle unsere Leser:innen auf, sich an den Antikriegs-Demonstrationen zu beteiligen, die gegenwärtig überall auf der Welt gegen diesen Krieg stattfinden.

Unsere Solidarität gilt den Leidtragenden dieses Krieges in der Ukraine, aber auch all jenen mutigen Menschen, die in Russland selbst trotz massiver staatlicher Repression gegen diesen Krieg demonstrieren. Der folgende Artikel, der gestern auf der russischsprachigen anarchistischen Website avtonom.org erschienen ist, informiert über den zivilgesellschaftlichen Widerstand, den es in den letzten Tagen in zahlreichen Städten Russlands gegen den Krieg des Putin-Regimes gegeben hat.

Die espero-Redaktion

Update vom 21. März 2022 (26. Kriegstag)

Update vom 6. März 2022 (11. Kriegstag)

Russische Anarchist:innen gegen den Krieg des Putin-Regimes in der Ukraine

Vor dem Hintergrund einer groß angelegten Militäroperation, die heute Morgen begonnen hat, ist es wichtig klarzustellen, dass die Russen diesen schändlichen Krieg nicht brauchen. In den letzten Tagen fanden in verschiedenen russischen Städten Dutzende von Anti-Kriegs-Protesten statt, meist in Form von einzelnen Mahnwachen. Und obwohl diese Form der Aktion nach russischem Recht nicht anmeldepflichtig ist, wurden die meisten der Demonstranten festgenommen.

Gestern, am 23. Februar, gab es Ein-Mann-Mahnwachen unter Beteiligung von Anarchist:innen in Moskau , Irkutsk und Perm. In St. Petersburg tauchten anarchistische Antikriegs-Graffiti auf, und Feministinnen der Initiativgruppe 8 veranstalteten eine Aktion in der U-Bahn. Heute finden bereits Aktionen in In Irkutsk und Nowosibirsk  statt (weitere Infos dazu folgen).

Mitglieder der feministischen “Initiativgruppe 8”, die am 23. Februar 2022, also am Tag vor Ausbruch des Krieges, in der U-Bahn in St. Petersburg mit ihren bemalten Taschen gegen den Krieg demonstrieren. Quelle: Volja/Telegram, 23.02.2022.

Mitglieder der feministischen “Initiativgruppe 8”, die am 23. Februar 2022, also am Tag vor Ausbruch des Krieges, in der U-Bahn in St. Petersburg mit ihren bemalten Taschen gegen den Krieg demonstrieren. Quelle: Volja/Telegram, 23.02.2022.

Ebenfalls gestern wurden 13 Personen mit Antikriegsplakaten an verschiedenen Orten in Moskau festgenommen, 3 von ihnen auf dem Arbat, in der Nähe des Okudzhava-Denkmals. Außerdem gab es Mahnwachen mit Plakaten zum kommenden Jahrestag der Deportation der Tschetschenen und Inguschen durch Stalin.

Trotz der Behinderungen der Antikriegsdemonstrant:innen durch die Polizei gelang es den Moskauer Anarchist:innen, im Zentrum Moskaus Antikriegsflugblätter zu verteilen.

Die in der Nähe des Okudzhava-Denkmals Festgenommenen wurden mehr als fünf Stunden lang auf der Polizeistation “Arbat” festgehalten. Gemäß der in den Moskauer Polizeidienststellen üblichen Praxis wurde der Anwalt von IAB-Info nicht länger als anderthalb Stunden eingelassen. Den Inhaftierten wurde vorgeworfen, ohne Benachrichtigung der Behörden eine Massenaktion durchgeführt und Parolen skandiert zu haben, obwohl die Mahnwachen alleinstanden und nichts skandierten. Dies ist jedoch auch die gängige Praxis in Russland. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Behörden in Moskau und den meisten russischen Städten die überwältigende Mehrheit der angekündigten öffentlichen Aktionen in den Zeiten „vor Covid“ nicht gebilligt haben. Und die “Covid”-Beschränkungen boten eine bequeme Ausrede, um überhaupt nichts zu koordinieren, außer bei offiziellen Veranstaltungen.

Unter den Festgenommenen auf dem Arbat-Polizeirevier befanden sich neben Teilnehmer:innen an den Antikriegsaktionen auch einige befreundete Aktivisten, die unter dem Vorwand des “Alkoholkonsums am falschen Ort” verhaftet worden waren, sowie zwei Musiker aus dem Arbat. Als sie erfuhren, dass sie wegen der Mahnwachen gegen den Krieg inhaftiert worden waren, ist bei keinem von ihnen der Patriotismus und die Liebe zu Putin “erwacht”. Selbst ehemalige Berufssoldaten, die in Afghanistan ausgebildet worden waren, verurteilten die Eskalation der militärischen Hysterie und sagten, dass sie für Russland nur mit der Ankunft von Särgen aus dem Kriegsgebiet enden könne.

Die Polizeibeamten äußerten sich übrigens gegenüber den festgenommenen Demonstrant:innen auch nicht zu deren Protest gegen den Krieg mit der Ukraine – offenbar mangelte es auch ihnen angesichts des drohenden Krieges an patriotischen Gefühlen.

Heute, nach Ausbruch des Krieges, sind bereits Dutzende von Russen auf Anti-Kriegs-Mahnwachen gegangen – auch die Verhaftungen gehen weiter. Eine Petition gegen den Krieg mit der Ukraine hat innerhalb von drei Stunden mehr als 100.000 Stimmen erhalten. Studenten, Doktoranden und Dozenten bereiten einen „Offenen Brief an den Präsidenten der Russischen Föderation mit der Forderung nach Beendigung der Militäraktionen in der Ukraine“ vor.

Antikriegs-Demonstrant:innen in Moskau werden von der Polizei angegriffen und verhaftet. Quelle: The Guardian, YouTube.

In sozialen Netzwerken werden alle aufgerufen, die gegen den Angriff auf die Ukraine protestieren wollen, um 19 Uhr auf die zentralen Plätze ihrer Städte zu gehen. In Moskau ist eine Aktion auf dem Puschkinskaja-Platz geplant, die OMON [die Sondereinsatzeinheiten des Innenministeriums] und die Nationalgarde werden bereits ins Zentrum der Hauptstadt verlegt.

Quelle: avtonom.org, 24. Februar 2022 – 17:24 Uhr

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