Druckluft

Druckluft. Von Heiko Koch und Patrick McAllister, Mainz: Ventil Verlag, 2022, Broschur, mehrfarbig, 64 Seiten, 9783955751722, 15,00€

Druckluft. Eine Geschichte des Erinnerns und selbstbestimmten Aufbegehrens

Die Geschichte beginnt gleich als rasante Blitzlichtszene vor Ort: Nachts in Dortmund-Dorstfeld. Der Stadtteil, den die örtlichen Nazis als ihren Kiez bezeichnen. Ausgerechnet hier wird die Antifa-schistin und Punkerin Paula von Jungnazis beim Sprayen erwischt. Eine heiße Verfolgungsjagd folgt und endet, indem sie im letzten Augenblick durch die Hilfe eines unbekannten Motorrollerfahrers entkommt.

Der Fahrer heißt Francesco und ist beeindruckt von Paulas Mut, denn sie hat es gewagt, direkt auf rechtem Terrain zu sprayen. Sie verabschieden sich und sehen sich bald darauf auf einer Ska-Party wieder. Hier tauchen auch Paulas intellektuell gepolter Bruder Jonas und die Kampfsportlerin Lan Dai auf. Die Gruppe feiert, tanzt und flirtet ausgelassen und ist sich bei allem Spaß schnell einig: Man muss was tun gegen diese Nazis, ihnen zeigen, dass die Stadt nicht ihnen gehört. Und es dauert nicht lang, bis eine Reihe von Ereignissen sie zum Handeln zwingt.

Druckluft ist eine Graphic-Novel im wahrsten Sinne des Wortes: In rasanter Schnitt-Technik erzählt und blitzlichtartig auf den Punkt zeichnerisch umgesetzt. Ein grafisches Roadmovie der Bewegung zwischen den Orten unseres Lebens der Notwendigkeit, hin zum Leben freiheitlicher Veränderung.

Das kommt einer Aufforderung gleich: Machen wir uns auf den Weg und bleiben in Bewegung! Dieses Motto beschreibt auch den Lebensstil des Unterwegs-Seins, nicht nur in der Phantasie, sondern und gerade auch in unserer manchmal schlechten Wirklichkeit. Denn die Geschichten, die in dem fiktiven Roadmovie als Erinnerungsanker aufscheinen, sind unbedingt authentisch: Es geht um wirklich gelebte Schicksale von Opfern rechter Gewalt in Dortmund, die auch namentlich benannt werden.

Der Autor Heiko Koch, Aktivist und Journalist, und der Grafiker und Dozent Patrick MacAllister setzen allen Beteiligten ein „Denkmal“ und zwar kein bronzenes, vor dem wir uns in Ehrfurcht erstarrend verneigen müssten, sondern ein soziales, das an unsere eigene politische Lebendigkeit appelliert. Das heißt, Geschichte zu leben, also auch, gelebte Geschichte(n) aufzugreifen, zu erzählen und weiterzugeben, in Form eines politisch selbstbestimmten und gesellschaftlich solidarischen Aufbegehrens gegen Hass und Ungerechtigkeit. Nicht mehr und nicht weniger!

Rolf Raasch

Quelle: espero Nr. 5, Juli 2022, S. 331-332.

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